Tod in der Wüste by Hosfeld Rolf

Tod in der Wüste by Hosfeld Rolf

Autor:Hosfeld, Rolf [Hosfeld, Rolf]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406674525
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2015-05-03T16:00:00+00:00


Der Armenier Vartkes Serengülian, einst ein Vertrauter Mehmet Talaats, wurde nach den Kämpfen in Van Ende Mai 1915 verhaftet und ermordet.

Aus Egin berichtete Henry Riggs von einem alten Armenier, der unter den verwundet von der Kaukasusfront zurückgekommenen Türken nach Auskünften über das Schicksal seines als Soldat eingezogenen Schwiegersohns Dikran suchte. Plötzlich hörte er einen Türken rufen, er solle in sein Haus kommen. Das war ungewöhnlich. Der alte Armenier hatte Sandalen an, entschuldigte sich höflich und sagte, er werde in der Tür stehen bleiben. Doch der Türke bestand darauf, dass er eintrat, auch ohne seine Schuhe auszuziehen, und dass er sich einen Platz zum Sitzen suchte. Eine solche Ehre war dem Alten in seinem ganzen Leben noch nicht zuteilgeworden, und verschüchtert lehnte er erneut ab, bis schließlich der Verwundete auf den Knien zur Tür kroch und ihm mit den Worten «Ich werde die Warmherzigkeit deines Dikran mein ganzes Leben lang nicht vergessen» die Hände küsste. Eine Szene wie diese wäre vor dem Krieg nur schwer vorstellbar gewesen. Dikran hatte, als der Türke verwundet wurde, sofort die Sanitäter gerufen, ihn mit Wasser und Brot versorgt und ihm so das Leben gerettet. Selbst als die ersten Deportationen begannen, die nach der Auskunft von Halide Edib keineswegs auf allgemeine Zustimmung stießen[105], war vielerorts dieses Band gemeinsamer Sympathie noch wirksam. «Als die ersten Karawanen von Vertriebenen in die Stadt kamen, schauten sich Moslems und Christen gemeinsam die Prozession an», berichtete Ephraim Jernazian über die Stimmung in Urfa im Frühjahr 1915, als Züge aus Zeitun hier durchzogen: «Die meisten Türken begrüßten die Vertriebenen mit stiller Bewunderung, wie es den Anschein hatte, und manchmal auch mit ein wenig Sympathie.»[106] Während der ersten Monate des Jahres 1915, so auch Henry Riggs, habe er nirgendwo unter der muslimischen Bevölkerung Anzeichen dafür finden können, dass sie ihre armenischen Nachbarn fürchteten oder ihnen misstrauten. «Es gab keine Anzeichen von Feindseligkeit oder religiösem Fanatismus», stellte er fest, «und als der Sturm schließlich zu wüten begann, erkannten wir, die wir mitten in ihm lebten, klar und deutlich, dass dies kein spontaner Ausbruch des Volkszorns war.»[107]

Seit Ende 1914 hat die CUP-Propaganda gezielt versucht, die Stimmung gegen die Armenier zu schüren. Im Januar und Februar 1915 lief nach der Niederlage von Sarikamis in einer Zeit der angespannten Versorgungslage plötzlich das Gerücht um, Armenier hätten in den Armeedepots Brot und Nahrungsmittel vergiftet.[108] Christliche Ärzte, so erzählte man sich, um die hohen Verluste zu erklären, sollten muslimischen Soldaten heimlich Gift verabreicht haben. Als am 29. Januar im Haus eines aus Amerika zugewanderten Armeniers in Kaysari eine selbstgebastelte Granate explodierte[109], wurden daraus über Nacht «Tausende von Bomben»[110], die als Beweis für einen unmittelbar bevorstehenden armenischen Aufstand dienen sollten. Während der Kämpfe um Van nahm die Propaganda an Schärfe weiter zu. Besonders die für Nachrichtenwesen zuständige Abteilung II des Kriegsministeriums unter der Leitung von Oberst Seyfi war dabei aktiv. Auf Anweisung von Mehmet Nazim beschäftigte sie sich mit der gezielten Herstellung und Verbreitung von Gräuelpropaganda, unter anderem durch das wöchentlich erscheinende Kriegsmagazin Harb Mecmuasi.[111] Ein von der Regierung herausgegebenes



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